EINE EINFÜHRUNG FÜR LEHRER UND SCHÜLER    

PROJEKTE UND UNTERRICHTSENTWÜRFE



→ Gestaltung von Friedhofsführern

→ Spurensammlungen ordnen und dokumentieren

→ Workshop Jüdischer Friedhof Cosel (Breslau)





Gestaltung von Friedhofsführern

Eins, wer weiß?

Für den fächerübergreifenden Unterricht in der Grundschule konzipiert von Hilleke Hüttenmeister und Luisa Eidel.

Anregung zur Gestaltung von kleinen Friedhofsführern, die für Schüler ab dem Grundschulalter und zur ersten Information auch für den unkundigen Erwachsenen geeignet sind. Sie wurden entwickelt und realisiert für den Besuch von ortsansässigen Kindern auf drei Friedhöfen in Tschechien, mehrmals modifiziert und ergänzt für einen Friedhof in Polen und zwei Friedhöfe in Baden Württemberg. Die Führer für die jüdischen Friedhöfe in Rexingen und Haigerloch wurden von der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg gefördert und in einer kleinen Auflage gedruckt.

Rexingen

Haigerloch


Ausgangspunkt ist der geplante Besuch auf einem jüdischen Friedhof mit vielfältiger jüdischer Symbolik, wie sie z.B. in ländlichen Gegenden Süddeutschlands und in Osteuropa häufiger zu finden sind.

Unterrichtlicher Kontext und Vorgehensweise
Da viele Kinder Juden nur aus den biblischen Geschichten kennen und dabei an ein Volk aus längst vergangenen Zeiten denken, bietet ein Friedhofsbesuch eine sehr gute Möglichkeit, das bisherige Wissen um weitere Kenntnisse über Judentum, religiöse Bräuche, Schrift und Sprache zu erweitern. Juden rücken so aus den biblischen Geschichten in die Nähe. Sie werden zu Menschen, die im Heimatort gelebt haben, aber durch Herkunft und Religion auch mit dem Gottesvolk der Bibel fest verbunden waren. Die Geschichte vom Auszug der Juden aus Ägypten ist eine allgemein bekannte Geschichte, auch Abraham, Isaak und Jakob sowie die Josefs- Geschichte sind bekannte biblische Gestalten und Geschichten, die den Kindern in ihrem Religionsunterricht meist schon begegnet sind.

Das Pessachfest ist eins der hohen jüdischen Feste, die von den Juden auf der ganzen Welt gefeiert werden. Es erinnert an die Befreiung des jüdischen Volkes von ägyptischer Knechtschaft. Zum festlichen Abendessen, dem Seder, wird aus einem besonderen Buch, der Haggada vorgelesen. Aus der Haggada stammt das Lied, das vom Leben und Glauben des jüdischen Volkes erzählt.

Dieses Lied ist besonders geeignet, den roten Faden zu bilden, wenn es darum geht, bei einem Friedhofbesuch die Kenntnisse zu aktivieren, die Kinder schon vom Judentum haben und an sie an zu knüpfen. So lässt sich für Kinder eine Verbindung herstellen zwischen den Gestalten und Ereignissen der Bibel, den Juden, die einmal in ihrem Heimatort gelebt haben, und dem real noch existierenden jüdischen Volk mit jüdischem Glauben in der Welt.

Eine Haggada ist traditionell ein geschmücktes und illustriertes Buch. Es gibt berühmte Exemplare, wie die Vogelkopf-Haggada (13./14. Jhd., Deutschland) oder die Sarajevo-Haggada (um 1350, Spanien).

Der „Passover Haggadah von Schalom of Safed“ (Designed by Frederic Gozlan, Production: Avital Armoni, Israel, Armoni’s Art, ohne Jahr) ist die Liedillustration entnommen, die zur Inspiration und als Vorlage für Kinder gedient hat, um ihnen bei ihrem Besuch auf ihrem jüdischen Friedhof Glauben und religiöses Brauchtum zu erschließen.

Diese Illustration ist deshalb so geeignet, weil sie den Liedinhalt in einer einfachen, auf die wesentlichste Aussage beschränkten Form wiedergibt, die in ihrer naiven, farbigen Art die Kinder anspricht und von ihnen gedeutet und auch nachgestaltet werden kann.

An Hand der Liedverse, zitiert aus der Haggadah des Kindes, herausgegeben von Dr. A. M. Silbermann, Hebräischer Verlag Menorah, Berlin 1933, wird im folgenden erklärt, welche Bezüge sich zu Judentum, Friedhof und der Lebenswelt und den Kenntnissen der Kinder herstellen lassen und zum zweiten, wie Aussage und Inhalt der Verse durch eine Gestaltung durch die Kinder selbst sichtbar gemacht werden können.

Eins, wer weiß?
Ich weiß eins:
Gott ist einer und weiter keiner
Im Himmel und auf Erden.


»
          Nach jedem Liedvers:
          In Abschnitt 1: Erläuterungen zum Inhalt des Verses.
          In Abschnitt 2: Vorschläge zur Gestaltung, zu Bildaufbau, Körperhaltung,
Bewegung und der Anordnung der Figuren auf der Fläche.
«

1.Die Religion von Juden, Christen und Moslems kennzeichnet und verbindet der Glaube an einen einzigen Gott. Christen und Moslems beziehen ihren Glauben auf das „Alte Testament“, die hebräische Bibel. Der Hinweis auf die verschiedenen Gotteshäuser, die restaurierte Synagoge, die Kirchen, der moslemische Beetsaal vor Ort, macht dies für Kinder erfahrbar.

2.Der einzige Gott ist überall. Dies drückt die Format-füllende menschliche Figur durch die Bewegung von Armen und Händen aus. Die eine Hand deutet auf den Erdboden, die andere in den Himmel.



Zwei, wer weiß?
Ich weiß zwei:
Zwei Bundestafeln


1.Die Bundestafeln sind die Tafeln mit den Zehn Geboten, die Moses auf dem Berge Sinai übergeben wurden.

2.Es gibt nicht selten Grabsteine mit einem Rundbogen an der oberen Schmalseite, die in ihrer Form den Gesetzestafeln ähneln, wie sie in der Kunst gestaltet werden. Wenn zwei solche Grabsteine nebeneinander stehen, ähneln sie in ihrer Form den Gesetzestafeln.

Drei, wer weiß?
Ich weiß drei:
Drei Väter


1.Mit den drei Vätern sind die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob gemeint. Ihre Namen werden bis heute von Juden, Christen und Moslems verwendet.

2.Drei Format füllende Gestalten, die durch Haartracht und Bart als Männer bezeichnet sind, stehen entweder nebeneinander mit dem Blick zum Betrachter oder sie marschieren als Profilfiguren hintereinander. In diesem Fall muss mit den Kindern die Darstellung menschlicher Figuren im Profil besprochen werden. Außerdem unterscheiden sich die Figuren durch Farben und Zuschnitt ihrer Kleidung.

Vier, wer weiß?
Ich weiß vier:
Vier Mütter


1.Es gibt vier Stammmütter, Sarah, die Frau von Abraham, Rebekka, die Frau von Isaak, Lea und Rachel, die Frauen von Jakob. Ihre Namen sind ebenso bis heute gebräuchlich.

2.Für ihre Darstellung gelten die gleichen Gesichtspunkte wie bei der Gestaltung ihrer Männer.

Fünf, wer weiß?
Ich weiß fünf:
Fünf Torabücher


1.Die Tora ist Teil des Alten Testamentes, der Hebräischen Bibel. Sie wird bis heute mit der Hand geschrieben. Dieser Liedvers ist geeignet, auf die hebräische Sprache und Schrift einzugehen, die sich auf den Grabsteinen finden.

2.Fünf Bücher auf einem angedeuteten Tisch oder auch ein Rollenbuch stehen für die Tora. Wichtig sind die Zahlen von eins bis fünf, denn die Kinder sollen sich merken, dass es fünf Bücher Moses sind. Ansonsten können farbige Flächen den Innenraum, Decke, Boden, Wände, Teppich, Tisch, Bücher bezeichnen und so das Bildformat gliedern.

Sechs, wer weiß?
Ich weiß sechs:
Sechs Mischnabände


1.Die Mischna erklärt die Gebote der Bibel. Auf den Grabsteinen von Männern, die sich viel mit den heiligen Schriften beschäftigt haben, finden sich mancherorts die Darstellung von Büchern, Regalen mit Büchern oder offene Bücherschränke.

2.Für die Gestaltung gelten die gleichen Gesichtspunkte wie bei Vers fünf.

Sieben, wer weiß?
Ich weiß sieben:
Sieben Tage der Woche


1.Am Freitagabend begrüßt die Hausfrau, wenn der erste Stern am Himmel steht, den Schabbat, indem sie die beiden Schabbatkerzen anzündet und dabei einen Segen spricht. Deshalb findet man auf Frauengräbern häufiger Leuchter in verschiedenen Formen abgebildet.

2.Wenn der Moment des Kerzen-Anzündens als wichtiges Ritual gestaltet wird, sollte eine menschliche Figur, eine das Format weitgehend füllende Profilfigur, die durch Haartracht und Kleidung als weiblich ausgewiesen ist, gerade einen brennenden Span in einer Hand halten und eine der beiden Kerzen anzünden wollen. Die andere Kerze brennt schon im Leuchter auf dem Tisch. Durchs Fenster sieht man am dunklen Himmel den ersten Stern hinein leuchten.

Acht, wer weiß?
Ich weiß acht:
Acht Tage bis zur Beschneidung


1.Acht Tage nach seiner Geburt wird jeder jüdische Junge beschnitten. Die Beschneidung ist das Zeichen für den Bund mit Gott. Die Beschneidung ist Aufgabe des Mohels. Das Amt des Mohels hat einen hohen Rang in der jüdischen Gemeinde. Außer der Erwähnung dieses Ehrenamtes in der Grabsteininschrift, finden sich mancherorts die Abbildung eines Messers. Auch die Moslems kennen die Beschneidung. Die Darstellung Jesu im Tempel am achten Tag diente diesem Zweck.

2.Eine sitzende männliche Profilfigur hält ein kleines Kind auf den Knien, davor steht eine etwas gebeugte männliche Profilfigur, der Mohel, mit einem Messer in der einen Hand. Im Hintergrund können weitere kleine Figuren angeordnet werden, die anwesende Gemeinde.

Neun, wer weiß?
Ich weiß neun:
Neun reifende Monde


1.Das jedes Kind normalerweise neun Monate im Mutterleib wächst, wissen heute die meisten Kinder, was ihnen aber meist unbekannt ist, ist die hohe Kindersterblichkeit in der Vergangenheit. Die Gründe dafür, die früher ohne Impfungen und Antibiotika oft tödlich verlaufenden Kinder- und Infektionskrankheiten, kann man ansprechen, wenn man bei einem Friedhofsbesuch auf ein Kindergräberfeld stößt.

2.Der Liedvers lässt sich illustrieren durch die Gestaltung einer Familie, Vater, Mutter, Kind. Die Mutter hat einen dicken Bauch.

Zehn, wer weiß?
Ich weiß zehn:
Zehn Sinaigebote


1.In diesem Vers geht es nicht um die Tafeln und ihre Form, sondern um die Gebote selbst, die für Juden und Christen die ethische Grundlage ihres Lebens darstellen. Die Kinder lernen die zehn Gebote schon in der Grundschule kennen.

2.Dass es sich um 10 Gebote handelt, ist für die Gestaltung wichtig. Die Zahlen von 1 bis 10 sollten also geschrieben sein, entweder in einem aufgerollten Buch, der Tora, oder wieder auf Tafeln, auf die verwiesen wird.

Elf, wer weiß?
Ich weiß elf:
Elf Josefsterne


1.Die Josefgeschichten kennen schon die Grundschüler. Der stolze eingebildete Josef, auf den seine Brüder neidisch sind, ist eine für Grundschüler sehr plastische Figur. Sein bunter Rock mit dem er angibt, ist ein beliebtes Motiv für das Religionsheft.

2.Ein prächtig und bunt gekleideter Josef zeigt mit einem ausgestreckten Arm auf elf Sterne am Himmel. Ihm gegenüber stehen seine einfacher gekleideten Brüder. Es müssen nicht unbedingt alle elf sein.

Zwölf, wer weiß?
Ich weiß zwölf:
Zwölf Jakobsstämme


1.Die zwölf Stämme Israels leiten sich von den 12 Söhnen Jakobs ab, die die folgenden Namen trugen: Ruben, Simon, Levi, Juda, Zebulon, Jissachar, Dan, Gad, Ascher, Naftali, Josef und Benjamin. Ein wichtiges Symbol auf jüdischen Grabsteinen ist die Levitenkanne. Es bezieht sich auf Levi, einen der zwölf Söhne Jakobs. Die Nachkommen Levis, die Leviten, waren im Tempel für die kultische Reinheit zuständig. Sie wuschen den Priestern die Hände, bevor die den Segen über das Volk sprachen. Ein Wasserkrug, oft auch mit Schüssel, auf Grabsteinen zeigt an, dass der oder die Verstorbene aus dem Geschlecht Levi stammt. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ergibt sich aus den Namen an sich. Viele sind zur Zeit sehr in Mode. Man kann mit Schülern sehr gut darüber sprechen, welche Namen sie kennen und welche nicht.

2.Zwölf Männer in unterschiedlich farbiger Tracht, durch Haar- und Barttracht deutlich als Männer definiert, stehen für die zwölf Söhne Jakobs.

Dreizehn, wer weiß?
Ich weiß dreizehn:
Dreizehn himmlische Worte


1.Die Illustration von Schalom of Safed zeigt einen Gottesdienst in der Synagoge. Zu einem Gottesdienst müssen mindestens zehn Männer (ein Minjan) versammelt sein. Sie tragen eine Kopfbedeckung und einen Gebetsschal. Vorne steht der Vorbeter und liest in einem Buch, einem Gebetbuch. Die Botschaft dieses Verses ist, dass Menschen das Wort Gottes hören und miteinander beten sollen.

2.Zehn Männer oder auch elf, wenn der Vorbeter hervorgehoben werden soll, was nicht unbedingt nötig ist, stehen im Profil im Bildraum aufgereiht und tragen bei unterschiedlich farbiger Kleidung alle eine Kopfbedeckung und einen Gebetsschal.

Gestaltung von Friedhofsführern




Spurensammlungen ordnen und dokumentieren

Unterrichtsentwurf von Hilleke Hüttenmeister

Diese Vorgehensweise ist für Schüler vom zweiten Grundschuljahr bis einschließlich Klasse 10 geeignet. Realisiert wurde sie mit einer zweiten Klasse aus Rexingen im Schuljahr 2006/07.

Ausgangspunkt ist der Besuch auf einem jüdischen Friedhof. Dort werden von Kindern (zum Beispiel in Form von Abrieben/Frottagen, Fotos, Zeichnungen) hebräische Buchstaben, Wörter, Inschriften, Symbole und Ornamente gesammelt.

Unterrichtlicher Kontext und Vorgehensweise
Das bloße Sammeln von Symbolen, Buchstaben und Inschriften sichert noch nicht ihren Erinnerungswert. Dazu ist es notwendig, die gesammelten Spuren weiter zu bearbeiten, sie in einem Bild festzuhalten oder in einer kommentierten Dokumentation. Für eine Dokumentation bieten sich verschiedene Formen an: Plakat, Ausstellungstafel, Einrichtung einer Vitrine, Leporello, Buch, Zeitung, Kalender.

In einem Unterrichtsgespräch wird zunächst einmal nach möglichen „Titeln“ für das geplante Erinnerungsbild, für die Dokumentation gesucht. Mit der Titelsuche und der anschließenden Entscheidung für einen ganz bestimmten Titel benennt das Kind Beobachtungen, Gesichtspunkte, und Erfahrungen, die ihm von seinem Friedhofsbesuch besonders präsent, eindrucksvoll und wichtig in Erinnerung sind.

Das kann zum Beispiel das jahreszeitliche Erscheinungsbild sein.
Ausgedrückt durch den Titel:

Mein Frühlingsbild vom Jüdischen Friedhof
oder aber
Mein Spurenbild vom jüdischen Friedhof
Bei diesem Titel steht das Sammeln von Spuren für das Kind im Vordergrund
Mein jüdisches Friedhofsbild
Hier geht es dem Kind darum zu zeigen, was es als "jüdisch" wahrgenommen hat.
Meine Sammlung von Zeichen und Ornamenten vom Jüdischen Friedhof
oder
Meine Namensammlung vom Jüdischen Friedhof
Meine Schriftsammlung

Die ausführliche Suche nach möglichen Titeln für Bild und/oder Dokumentation macht Kindern erst bewusst, wie vielfältig der „Lernort Jüdischer Friedhof“ ist und das man ihn unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten kann. Wenn es gelingt, den Friedhofsbesuch einer Klasse in Bildern oder Dokumentationen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten festzuhalten, erschließt sich die Vielfalt der möglichen Themen auch den Kindern, die diesen Schwerpunkt nicht gewählt haben.

Die repräsentative Gestaltung von Bild und/oder Dokumentation erfordert die Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragen und gestaltungstechnischen Problemen, die je nach Alter und gewählter Technik oder auch der Kombination von Techniken unterschiedlich sind.

Die gesammelten Spuren müssen thematisch definiert, auf Flächen angeordnet, der Schwerpunkt augenfällig gemacht werden.

Frottage
Die Frottage ist eine von Max Ernst in die Kunst eingeführte grafische Technik. Wenn diese Technik genutzt wird, sollten die Schüler zuvor oder während der Aktion entsprechende Werke des Künstlers kennen lernen. Für die Frottage besonders geeignete Materialien sind weiche und doch zähe Papiere, wie Japanpapier und Einschlagpapier für Brot oder Blumen, und zum Durchreiben dunkelfarbige Wachsmalblöcke. Sollen Spuren mit dem Frottageverfahren gesammelt werden, sind unbedingt Gesteinsart und Zustand des Grabsteins zu beachten! Viele Grabsteine sind aus Sandstein, der oft sehr verwittert sein kann und bei Berührung abblättert.

Frottagen sind nur dann möglich, wenn das Steinmaterial und der Zustand des Grabsteins es erlauben!

Fotografie
Da heute schon viele Kinder Zugang zu einer Digitalkamera haben, kann das Sammeln und Festhalten von Spuren mit mehreren Fotoapparaten eine sehr fruchtbare Sache sein. Aber auch für diesen Fall gilt, dass eine Spurensuche nur Sinn macht, wenn zuvor im Klassenverband mögliche Fotoaufträge besprochen und verteilt werden.

So kann ein Team den Friedhofsbesuch als Klassen-Unternehmen dokumentieren, ein anderes Team die Lage und den Gesamteindruck von verschiedenen Seiten fest halten, eine Gruppe sich auf Grabsteinformen oder jüdische und/oder allgemeine Symbole oder Inschriften beschränken.

Zeichnung
Da der Linienverlauf von Ornamenten, Verzierungen oder Symbolen oft relativ einfach abzuzeichnen ist und manche Kinder so etwas auch gerne tun, kann es für ein persönliches Bild oder eine Dokumentation, neben der Verwendung von Frottageelementen, Fotos und Schrift, sehr reizvoll sein, kleine ausschnitthafte Zeichnungen in der Arbeit zu verwenden.

Die Ausschnittzeichnung sollte aber so angelegt werden, dass sie die Größe des gewählten Symbols bzw. des Ornaments oder der Verzierung möglichst eins zu eins wiedergibt. Das erfordert von den Kindern die ganz genaue Beobachtung und ermöglicht ein Abmessen der Linien für eine authentische Wirkung.

Schrift
Erinnerungsbilder und Dokumentationen gleich welcher Form werden durch Schrift und Text ganz außerordentlich in ihrer Aussage und Wirkung unterstützt. Schrift und Text sind Information und grafisches Element mit verbindender und sowohl Flächen gliedernder als auch Flächen füllender Wirkung zugleich. Wird zum Beispiel den Linien, die einen Davidstern bilden, mit den immer wieder geschriebenen Wörtern "Magen David Schild Davids, Magen David Schild Davids" gefolgt, so springt die Form ins Auge, zudem prägen sich die Begriffe dem Schüler fest ein.
Es gibt auch Vorbilder für diese Vorgehensweise in historischen jüdischen Manuskripten, die man zur Erklärung der Gestaltungstechnik heranziehen kann.


Spurenbild Joel 8 Jahre Ein Beispiel: Spurenbild Joel, 8 Jahre








Spurensammlung





Workshop für Schüler, Jugendliche und junge Erwachsene auf dem jüdischen Friedhof Cosel in Breslau

Folgender Projektvorschlag wird zurzeit (Frühjahr/Sommer 2009) mit vier Schülern der Waldorfschule Tübingen realisiert. Die Erprobung wird von Hilleke Hüttenmeister und Riva Siedner, Lehrerin an der Waldorfschule, begleitet. Die Schüler des 11. Jahrgangs sollen in diesem Rahmen jeweils eine Jahresarbeit verfassen.

Mögliche Titel:
• Der jüdische Friedhof in der ul. Lotnicza im Wohnviertel Cosel/Kozanow, Breslau - ein Spiegel der Geschichte
• Die wechselvolle Geschichte der jüdischen Gemeinde Breslaus im Spiegel ihres Friedhofs, ul. Lotnicza, Wohnviertel Cosel /Kozanow
• 100 Jahre jüdischer Friedhof Cosel, Flughafenstraße, ul. Lotnicza - ein Spiegel jüdischer Geschichte


Begründung für die Wahl dieses Friedhofs:
An diesem Friedhof lassen sich die wechselhafte Geschichte der jüdischen Gemeinschaft und ihre gegenwärtige Struktur sehr deutlich ablesen. Er ist im besonderen Maße geeignet, die Veränderungen aufzuzeigen, die sich durch die Schoah und die Folgen des 2. Weltkrieges für das Judentum in Deutschland und im heutigen Polen ergeben haben.

Ziele, die mit dem Workshop erreicht oder angestrebt werden
• Junge Menschen erwerben geschichtliche / zeitgeschichtliche, soziale und kunsthistorische Kenntnisse.
• Die eigene "Forschertätigkeit" soll den Wissenserwerb lebendig gestalten.
• Die praktische Arbeit auf dem Friedhof schafft eine emotionale Beziehung zu den Begrabenen, weckt das Interesse für ihr Schicksal.
• Die Zusammenarbeit von jungen Menschen verschiedener Glaubensrichtungen und verschiedener Nationen fördert Verständnis und Toleranz.

Vorgehensweise:
Eine Jugendgruppe teilt sich auf und untersucht jeweils ein Friedhofsfeld bzw. einige Gräber eines Feldes bzw. Gräber aus einem bestimmten Zeitabschnitt, so dass etwa 100 Jahre Friedhofsgeschichte bei einem Workshop berücksichtigt werden. Die Gruppen versuchen dabei, mit Fotos, Zeichnungen, Abrieben, Aufzeichnungen ihren Friedhofsabschnitt, ihre Gräber zu dokumentieren und damit Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:

1. In welchem Belegungsfeld des Friedhofs befinden sich der oder die Grabsteine?
2. Wie sieht der einzelne Grabstein aus? Form? Gesteinsart? Erhaltungszustand? Beschriftung und Daten, gegebenenfalls mit Übersetzung.
3. Was sagt der Stein über den Menschen aus, der dort begraben liegt? Alter, Geschlecht, Geburtsort, Informationen über den Geburtsort, z.B. "Dieser Ort liegt in Oberschlesien, dort gab es seit … eine jüdische Gemeinde", Beruf, Titel, vermutete gesellschaftliche Stellung, mögliches Schicksal? - z.B. "Die Person ist 1947 gestorben und war erst 31 Jahre alt, der Geburtsort liegt in Ostpolen".
4. In wie weit spiegelt die Gestaltung des Steines in Form, Stil, Ornamentik, speziell jüdischen Motiven den Zeitgeschmack, die Mode, die soziale Stellung, die religiöse Überzeugung des Begrabenen wider? Gibt es viele Steine mit ähnlichen Gestaltungsmerkmalen oder ist der Stein eine Besonderheit? Waren jüdische oder christliche Steinmetzen am Werk?
5. Kurzer geschichtlicher Abriss des Zeitraums, den die Lebensspanne des Toten umfasst, wie zum Beispiel "geboren etwa 1890, gefallen als Soldat im Ersten Weltkrieg, an dem die folgenden Länder beteiligt waren ..."
6. Was habe ich getan, um den Zustand der Verwahrlosung und/oder Zerstörung zu beseitigen oder zu mildern?(Foto vorher und nachher)

Voraussetzungen
• Vor der praktischen Arbeit auf dem Friedhof müssen die Jugendlichen Gelegenheit haben, an einer fachkundigen Führung über den Jüdischen Friedhof Lohestraße teilzunehmen, um sowohl auf zeitgeschichtliche, kunsthistorische als auch religiöse Inschriften, Ornamente und Motive aufmerksam gemacht zu werden, die dort für den Zeitraum der letzten hundert Jahre in großer Vielfalt zu sehen sind.
• Sie nehmen die alten Grabsteine, die im Arsenal und an der Friedhofsmauer in der Lohestraße zu besichtigen sind, als Zeugnisse jüdischer Präsenz in Breslau wahr.
• Außerdem suchen sie Kontakte zur jüdischen Gemeinde, informieren sich über deren Struktur, ihre Probleme und Sorgen und nehmen eventuell an einem Gottesdienst teil.
• An Unterlagen sollten ihnen Gräberverzeichnisse, Sterberegister und Friedhofspläne zugänglich gemacht werden.
• Alle greifbaren Zeugnisse von Breslauer Juden wie z.B. Lebensberichte und Tagebuchaufzeichnungen, die helfen können, das Leben der Toten in ihrer Zeit lebendig werden zu lassen, sollten zur Verfügung stehen. So der Bericht eines Lehrers, des Vaters von Dr. Benjamin Sklarz, der heute in Israel lebt, über seine Zeit in Buchenwald. (Die Großeltern von Benjamin Sklarz liegen auf dem Coselfriedhof. Der Enkel fand das Grab der Großeltern).

Es spielt dabei keine Rolle, ob das Zeugnis indirekt vom Vorgängerfriedhof an der Lohestraße stammt. Gedacht wird dabei an das Buch "Als Hitler das rosarote Kaninchen stahl" von Judith Kerr, der Tochter von Alfred Kerr, deren Großeltern auf dem Friedhof Lohestraße begraben sind.

Abschluss
Der Workshop wird mit einer gegenseitigen Präsentation der "Forschungsergebnisse" abgeschlossen, für die vielfältige mediale Formen denkbar sind. Wichtig ist nur, dass alle Ergebnisse der Recherche festgehalten werden. So kann die Karte dieses Friedhofs von einer weißen oder leeren in eine bunte mit vielen Farben gefüllte verwandelt werden.

Hilleke Hüttenmeister

Coselfriedhof Breslau