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Die Gestaltung jüdischer Grabsteine ist ein Thema, das fast alle Bereiche der Kunstgeschichte umfasst und das daher hier nur in Grundzügen
behandelt werden kann.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass jüdische Grabsteine in ihrer äußeren Form ähnlich, oft auch identisch gestaltet wurden wie die Grabmale der nichtjüdischen Umgebung, von Kreuzformen und Vollplastiken einmal abgesehen. Sämtliche Kunststile von Romanik und Gotik über Barock, Renaissance und dem Neoklassizismus bis hin zu modernen Einflüssen von Jugendstil und Art Déco lassen sich auch in jüdischen Grabsteinen wieder finden, wenn auch oft mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber den verbreiteten Strömungen in der Umgebungskultur.
MATERIAL
Die große Mehrzahl der jüdischen Grabmale hierzulande ist aus Stein gefertigt, oft aus jeweils einheimischem Sandstein.
Doch haben sich auch Hinweise auf aus Holz gefertigte Grabmäler erhalten.
GESTALTUNG
Im Mittelalter findet man neben sorgfältig bearbeiteten Grabsteinen auch kaum bearbeitete, nur grob geglättete Findlinge.
Doch die meisten mittelalterlichen Grabsteine sind sorgfältig gearbeitet, haben oft vertiefte Schriftfelder und
einen geraden oder geschwungenen oberen Abschluss.
Im Laufe der Zeit werden die Variationen der oberen Abschlüsse vielfältiger und die ersten Schmuckelemente
treten auf, die Einflüsse allgemeiner Stilrichtungen (Romanik, Gotik) werden sichtbar. Doch bleiben über
Jahrhunderte Grabsteine mit rundbogigem Abschluss am beliebtesten und die Kalligrafie
wörtl. "die Kunst des Schönschreibens". Bei der Gestaltung jüdischer Grabsteine steht über Jahrhunderte die hebräische Schrift, die Gestaltung der einzelnen Buchstaben und ihre Gesamtwirkung, im Mittelpunkt. das vorherrschende
Gestaltungsmerkmal und oft die einzige Zierde ansonsten schlicht gestalteter Steine.
von links nach rechts:
Mittelalterlicher jüdischer Grabstein aus Regensburg, Meschullam ben Jehuda, gest. 1252
Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main, Battonnstraße, Grabstein von Bella bat Natan, gest. 1272
Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main, Battonnstraße, Grabstein von Jaakow ben Schlomo, gest. 1284
von links nach rechts:
Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main, Battonnstraße, Grabstein von Josef ben Jaakow, gest. 1379
Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main, Battonnstraße, Grabstein von Eljakim ben Issachar, gest. 1383
Jüdischer Friedhof Frankfurt am Main, Battonnstraße, Grabstein von Jutte bat Jaakow, gest. 1413
In Bezug auf die Gestaltung der Grabmale gab es große Unterschiede von Ort zu Ort, von Region zu Region, und zwischen Stadt und Land, und so kann man häufig auf einem Friedhof mehrere ähnlich oder identisch gestaltete Grabsteine in Formen sehen, die auf anderen Friedhöfen nicht zu finden sind.
Während zunächst die Grabsteine mit ihrem Fundament direkt im Boden standen, werden seit Anfang des 19. Jahrhunderts Grabsteinsockel immer häufiger, und bald werden auch die Grabstätten selbst eingefasst.
Manche dieser Grabeinfassungen sind erst in der Nachkriegszeit abgeräumt worden, oft um den kommunalen Behörden
die gärtnerische Pflege der Anlagen zu erleichtern.
Auf großstädtischen Friedhöfen ist der Einfluss von Moden und jeweiligem Zeitgeschmack früher und deutlicher
spürbar als auf abgelegenen Landfriedhöfen. Im Sinne des Grundsatzes der Gleichheit aller im Tode gab es auch
Gemeinden, die großen Wert darauf legten, alle Grabsteine gleich oder ähnlich schlicht zu gestalten, unabhängig
der gesellschaftlichen Stellung des Verstorbenen. Gleichzeitig wurden gerade auf den großstädtischen Friedhöfen
neben kleinen schlichten Steinen auch große Familienerbbegräbnisstätten und Mausoleen errichtet, die weit über
den Tod hinaus den hohen gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Rang der jeweiligen Familien demonstrieren sollten.
Beispiele großer Familien-
begräbnisstätten, Mausoleen (von links nach rechts):
Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee, Herbert Baum-Straße, Grabmal der Roslie Ernst
Jüdischer Friedhof Berlin, Schönhauser Allee, Grabmal von Max Liebermann und Familie
Jüdischer Friedhof Berlin, Schönhauser Allee, Grabmal der Familie Mannheimer
von links nach rechts:
Jüdischer Friedhof Berlin, Schönhauser Allee, Grabmal von Salomon Haberland, gest. 1914, und seine Frau Olga
Jüdischer Hauptfriedhof Mannheim, Grabstätte der Familie Lenel
Jüdischer Hauptfriedhof Mannheim, Familiengrabstätte Raphael Hirsch, ab 1869
Die Gestaltung der Grabmale konnte auch ein Mittel sein, familiäre Verbundenheit auszudrücken.
Mit zunehmender Vielfalt in der Grabmalgestaltung und Einfluss moderner Kunststile und Moden häuften sich seit Ende des 19. Jahrhunderts innerjüdische Stimmen, die eine Rückbesinnung auf die traditionellen jüdischen Grabmalformen forderten. Und häufig nehmen gerade die jüngsten Grabsteine eines Friedhofs, vor allem seit der NS-Zeit, die schlichten Formen alter jüdischer Grabsteine wieder auf.
So wurde zum Beispiel 1929 von der Regierung in Mittelfranken im Einvernehmen mit den Distriktsrabbinaten eine Regierungsentschließung
"Über jüdische Friedhofskunst" erlassen und an die entsprechenden Bezirksämter und israelitischen Kultusgemeinden übersandt
(Bayerische Israelitische Gemeindezeitung 1929, Heft 1 (1.1.1929), S. 6-8). Durch eine "Wiederbelebung der Friedhofskultur und
der Förderung der Friedhofskunst" sollten die "kulturgeschichtlichen Werte" der "erhabenen Schönheit alter jüdischer Begräbnisstätten"
erhalten und gepflegt werden. Die beigelegten Richtlinien für die Gestaltung von Grabmalen forderten "senkrecht gestellte Steinplatten" von "einfacher,
rechteckiger Gestalt" und einer maximalen Höhe von 1,40 m aus einheimischem Material, wobei die Verwendung "grellweißer, schwarzer, sowie
polierter Steine" vermieden werden sollte. Neben der Rechteckform konnte "der Abschluß nach oben ... auch gebogene Form erhalten".
Darüber hinaus sollten Grabeinfassungen, eingesetzte Glasplatten und Nachahmung von Mauerwerk verboten und deutsche Inschriften nur auf
den Rückseiten der Grabmale angebracht werden.
Beispiel für die Entwicklung der Grabmalgestaltung eines jüdischen Friedhofs in Süddeutschland über fast zwei Jahrhunderte
Jüdischer Friedhof Laupheim.
(18. Jahrhundert bis 1940)
Im 19. Jahrhundert wurde es vielerorts üblich, alte verwitterte Grabsteine zu restaurieren oder durch neue zu ersetzen. Meist wurde dabei auch eine Widmungsinschrift angebracht.
GEDENKSTEINE - Gefallenendenkmale und Soldatengräber
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden auf vielen Friedhöfen, insbesondere größerer Gemeinden, die viele gefallene
jüdische Soldaten zu beklagen hatten, Denkmäler für die Gefallenen gesetzt, die vom Selbstverständnis der
Gemeinden zeugen und oft von bekannten Künstlern und Bildhauern gestaltet wurden.
Manche Soldaten erhielten einen eigenen Grabstein, manchmal auch nur Gedenkstein, und einzelner Soldaten wird auch auf
Grabsteinen von Angehörigen gedacht.
Neuer Jüdischer Friedhof Krefeld, Grabstein des Unteroffiziers Karl Roosen, gefallen 1917
Neuer Jüdischer Friedhof Krefeld, Grabstein von Bernhard Elkan, gest. 1938, mit Gedenkinschrift für seinen 1918 gefallenen Sohn
Alfred B. Elkan
Selten kann man auch einen Grabstein für einen jüdischen Soldaten der gegnerischen Streitmächte finden.
GEDENKSTEINE AUS DER NACHKRIEGSZEIT
Häufig wurden nach dem Krieg auf den jüdischen Friedhöfen Gedenksteine für die Opfer des Nationalsozialismus gesetzt.
Jüdischer Friedhof Grevenbroich-Hemmerden, Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus, gesetzt 1964
Jüdischer Friedhof Jüchen, Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus
Jüdischer Friedhof Mönchengladbach-Odenkirchen, vom Bildhauer Wilhelm Josef Strunk geschaffener Gedenkstein für die Opfer des
Nationalsozialismus, 1991 eingeweiht
Jüdischer Friedhof Krefeld-Hüls, Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus
Jüdischer Friedhof Krefeld-Hüls, Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus, 1988 von der SPD Hüls angebracht
Auf Friedhöfen, die während der NS-Zeit geschändet oder zerstört wurden, konnten, meist von jüdischer Seite, entsprechende Gedenksteine errichtet werden.
Jüdischer Friedhof Berlin, Große Hamburger Straße
Jüdischer Friedhof Ansbach
Die Abkürzung "RRPV" steht für "rassisch, religiös und politisch Verfolgte".
Zur Geschichte des Staatskommissariats siehe den Artikel von Gerhard Fürmetz:
Zeitenblicke.de