EINE EINFÜHRUNG FÜR LEHRER UND SCHÜLER    

TOD UND BESTATTUNG IM JUDENTUM

Zum Umgang mit Tod, Beerdigung und Trauer haben sich in den verschiedenen ethisch-religiösen Traditionen im Judentum unterschiedliche Bräuche entwickelt, auf die hier nicht in aller Differenziertheit eingegangen werden kann. Doch einige Grundzüge sind allen Traditionen gemein, die in Kürze dargestellt werden sollen.

Allgemein gilt, dass der oder die Sterbende nicht allein gelassen werden darf. Kündigt sich der Tod an, versammelt man sich im Sterbehause zum gemeinsamen Lernen und Gebet. Der Sterbende wird, soweit möglich, mit Gebet und dem Sündenbekenntnis Vidui aus der Liturgie des Versöhnungstages (-> jüdischer Kalender) auf den Tod vorbereitet. Steht der Tod unmittelbar bevor, wird das Schma Jisrael, das jüdische Glaubensbekenntnis gesprochen:

»Höre Israel! Der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig.«


In Anlehnung an den Märtyrertod des Rabbi Akiba zur Zeit der hadrianischen Verfolgungen wird dieses Gebet solange wiederholt, bis der Sterbende mit dem letzten Wort seine Seele aushaucht.

Vermutet man den Eintritt des Todes, überprüft man den Stillstand der Atmung mit einer Feder. Dann schließt man dem Toten die Augen und spricht einen Segen: Gelobt sei der wahrhafte Richter. Nun bereitet man ihn für die rituelle Waschung vor: Der Leichnam wird aus dem Bett gehoben, mit den Füßen zur Tür auf den Boden gebettet und mit einem weißen Laken bedeckt. Diese Aufgaben übernehmen Mitglieder der Chewra Kaddischa, "Heilige Vereinigung", die traditionelle Kranken- und Beerdigungsgesellschaft der Beerdigungsbruderschaft, bei einer Frau der Frauenverein. Bei der Waschung darf der Leichnam niemals vollständig entblößt werden, immer wird nur der Körperteil aufgedeckt, an dem gerade gearbeitet wird. Nach der Reinigung des Körpers folgt die eigentliche, rituelle Waschung, die Tahara:die rituelle Ganzkörperwaschung eines Verstorbenen kurz vor der Beisetzung, die meist von Mitgliedern der -> Chewra Kaddischa durchgeführt wird Der Leichnam wird mehrmals mit Wasser übergossen, dabei spricht man Verse aus den Psalmen und dem Hohelied. Dann wird der Tote mit den Tachrichim,die traditionellen, weißen Totengewänder aus Leinen den weißen, schlichten leinenen Totengewändern bekeidet und mit einem weißen Tuch bedeckt. Einem Mann wird auch sein Tallit,Gebetsmantel, ein viereckiges Tuch, meist weiß, mit schwarzen oder blauen Streifen verziert und mit vier langen, mehrfach geknoteten Fäden an den Ecken, den "Zizit", den "Schaufäden", die als eine Erinnerung an die -> Mizwot stehen. Der Gebetsmantel wird von Männern, vor allem beim Morgengebet, getragen. Man gibt ihn einem Toten mit ins Grab, entfernt aber vorher einen der Schaufäden als Zeichen dafür, dass der Tote keine -> Mizwot mehr zu erfüllen braucht. sein Gebetsschal beigegeben, an dem die Schaufäden entfernt wurden. Hat die Gemeinde eine eigene Taharahalle, so wird der Tote zur rituellen Waschung dorthin gebracht, ansonsten belässt man ihn bis zur Beerdigung im Trauerhause.

Im Orient wird der Tote nur in Totengewand und Leichentuch beerdigt, hierzulande bettet man ihn in einen schlichten Sarg. Weit verbreitet ist der Brauch, einem Toten ein wenig Erde aus dem heiligen Land mit in den Sarg zu geben: Wenn es ihm schon nicht vergönnt war, in der geheiligten Erde der Vorväter zu ruhen, so wird der Verbundenheit mit dem gelobten Land auf diese Weise Ausdruck verliehen.

Gemäß der rabbinischen Vorschrift soll der Tote so schnell wie möglich bestattet werden, am besten noch am selben Tag. Nur wenn jemand kurz vor Anbruch oder an einem Feiertag verstarb, wurde die Beerdigung wegen der Heiligkeit des Tages zwangsläufig verschoben. Mit der Angst vor Scheintod wurde jedoch seit Ende des 18. Jahrhunderts eine mehrtägige Frist zwischen Tod und Beerdigung gesetzlich festgeschrieben, der man sich beugen musste, wenn auch oft nur sehr unwillig. Doch wird der Tote auch weiterhin keinen Moment alleine gelassen. Mit der Wache am Totenbett wechseln sich Angehörige und Mitglieder der Chewra Kaddischa"Heilige Vereinigung", die traditionelle Kranken- und Beerdigungsgesellschaft ab. Die Zeit verbringt man traditionell mit Lernen, vor allem mit dem Studium des Talmudsaus 6 "Ordnungen" und insgesamt 63 Traktaten bestehendes, im 5. Jahrhundert endredigiertes Hauptgesetzeswerk, bestehend aus der -> Mischna und des dazugehörigen Kommentars der späteren Rabbinen, der Gemara.

Die Begleitung eines Toten zu seiner letzten Ruhe ist die letzte große Ehre, die man ihm erweist, eine Mizwa,pl. Mizwot - religiöses Gebot (in Form einer Anweisung oder eines Verbotes). Der Talmud zählt insgesamt 613 Mizwot, 365 Verbote und 248 Gebote. ein religiöses Gebot: Die rabbinische Lehre verlangt von jedem, der einen Leichenzug sieht, wenigstens einige Schritte weit mitzugehen. Begleitet von einem schlichten Trauerzug, wird der Sarg zum Friedhof gebracht. Die Trauerfeier mit dem Hespedhebr. für "Trauerrede", der Trauerrede, findet im Trauerhause, in der Leichenhalle oder am Grab statt, ausnahmsweise auch in der Synagogejüdisches Versammlungs- und Gebetshaus. Ein RabbinerRichter, Lehrer, Prediger und Seelsorger einer Gemeinde muss jedoch nicht anwesend sein.

Der Sarg wird von Freunden und Verwandten auf den Schultern zum am selben Tage geschaufelten Grab getragen, oft begleitet von der Rezitation des 91. Psalms. Auf dem Friedhof werden mehrere Gebete gesprochen: Zidduk Hadin, der Ausdruck des Vertrauens in das gerechte Walten Gottes, und El Male Rachamim, das Gebet für das Heil des Toten. Ein drittes Gebet schließt mit den Worten nach Genesis 3,19: Denn Staub bist du und zum Staub wirst du zurückkehren. Ist der Sarg in die Grube gelassen, wird diese von Mitgliedern der Beerdigungsbruderschaft aufgefüllt, oft beteiligen sich die Anwesenden mit drei traditionellen Erdwürfen.

Unüblich waren früher Kränze und Blumen am Grab, weder bei der Beerdigung noch später als Grabschmuck. Doch mit zunehmender Assimilierung wurde auch dieser Brauch oftmals von der Umgebung übernommen.

Als Zeichen der Trauer wird an der Kleidung der Hinterbliebenen ein kleiner Riss angebracht, die Kri'a. Waren Vater oder Mutter gestorben, nimmt man diesen links oberhalb des Herzens vor, beim Gatten, bei Kindern, Brüdern oder Schwestern an der rechten Seite. Diese Handlung wird auf die Bibel zurückgeführt: So zerriss zum Beispiel schon Ruben sein Kleid in verzweifelter Trauer, als er seinen Bruder Josef tot wähnte.

Den Abschluss der Beerdigung bildet das alte aramäische Kaddisch"heilig", altes aramäisches Gebet, das u. a. als das Gebet für Verstorbene bekannt ist, eines der wichtigsten jüdischen Gebetegebet, gesprochen vom ältesten Sohn. In einem besonderen Zusatz wird die Hoffnung auf die Auferstehung zum Ausdruck gebracht.

In den Sprüchen der Väterhebr. Pirkei Awot, ein Traktat der -> Mischna mit ethischen Maximen verschiedener Rabbinen steht: "Tröste den Trauernden nicht, solange sein Toter vor ihm liegt". Doch wenn das Grab geschlossen ist, beginnt die Zeit von Trauer und Trost. Beim Verlassen des Friedhofs ist es üblich, dass die Trauergesellschaft den Hinterbliebenen ein Spalier bildet und ihnen zuruft: "Gott tröste euch mit allen, die um Zion und Jerusalem trauern". Zurück im Trauerhause, gibt es eine kleine stärkende Mahlzeit für die Trauernden, von Nachbarn und Freunden vorbereitet. Nun beginnt für die Hinterbliebenen die siebentägige Trauerphase der Schiw'a, auch "Schiwwe sitzen" (abgeleitet vom hebräischen Wort für sieben), wie schon Josef seinen Vater sieben Tage lang betrauerte (Genesis 50,10). In dieser Zeit bleiben die Trauernden zuhause, werden von Verwandten und Freunden besucht, umsorgt, mit gemeinsamem Gebet getröstet.

Beim Tod eines nahen Verwandten sitzt man auf dem Boden, trägt keine festen Schuhe, rasiert sich nicht, schneidet sich nicht das Haar. Bis zum dreißigsten Tag nach dem Sterbetag dauert die nächste Trauerphase, in der man die Trauerkleidung mit dem Riss trägt und auf Schmuck verzichtet. Um Vater und Mutter trauert man ein ganzes Jahr, der Sohn betet dreimal täglich das Kaddisch"heilig", altes aramäisches Gebet, das u. a. als das Gebet für Verstorbene bekannt ist, eines der wichtigsten jüdischen Gebete.

Erst mit der Jahrzeitdas rituelle Begängnis des Todestages. Zur Feier der Jahrzeit gehört das Sprechen des -> Kaddisch, der Besuch des Grabes (wenn möglich) sowie das Anzünden einer Kerze, die für 24 Stunden brennt (Jahrzeit-Licht), dem ersten Trauertag, endet diese letzte Trauerphase. Meist wurde auch erst dann am Grabe ein Grabstein gesetzt.

Seit dem Mittelalter hat sich der Brauch verbreitet, jedes Jahr zur Jahrzeitdas rituelle Begängnis des Todestages. Zur Feier der Jahrzeit gehört das Sprechen des -> Kaddisch, der Besuch des Grabes (wenn möglich) sowie das Anzünden einer Kerze, die für 24 Stunden brennt (Jahrzeit-Licht) des Verstorbenen in der Synagogejüdisches Versammlungs- und Gebetshaus zu gedenken und das Grab zu besuchen. Manche Gemeinden legten sich eigene Jahrzeitkalender an, die den jeweiligen Todestag der Gemeindemitglieder nach dem -> jüdischen Kalender festhielten.

In einigen Gemeinden gab es auch so genannte MemorbücherSeelengedächtnisbuch einer Gemeinde, in das gegen eine Spende in die Gemeindekasse Name, Sterbedatum und Eulogie auf eine verstorbene Person eingetragen wurde. Diese Einträge wurden bei bestimmten Anlässen in der Synagoge verlesen., Seelengedächtnisbücher, in die gegen eine kleine Spende in die Gemeindekasse Einträge für die Verstorbenen gemacht wurden, die bei bestimmten Anlässen in der Synagogejüdisches Versammlungs- und Gebetshaus verlesen wurden.