EINE EINFÜHRUNG FÜR LEHRER UND SCHÜLER    

DIE HEBRÄISCHE INSCHRIFT

Bis ins 19. Jahrhundert hinein sind jüdische Grabsteine nur auf -> Hebräisch beschriftet.

Eine hebräische Grabinschrift setzt sich aus mehreren Elementen zusammen: Den Namen, den Daten, gerahmt von einer Einleitungsformel und einem Schlusssegen, und oft erweitert durch eine Eulogie.Das aus dem Griechischen stammende Wort bedeutet "Lob", "Lobrede".

DIE NAMEN

Das wichtigste Element, das in jeder Grabinschrift genannt ist, ist der Name des oder der Verstorbenen.

Der Name eines Mannes setzt sich zusammen aus seinem Vornamen und dem Namen seines Vaters, z.B. Awraham, Sohn des Mosche.

Der Name einer Frau setzt sich zusammen aus ihrem Vornamen und dem Namen ihres Vaters, z.B. Sara, Tochter des Mosche, bei verheirateten Frauen in der Neuzeit auch ergänzt oder ersetzt durch den Namen des Gatten: Sara, Tochter des Mosche, Gattin des Awraham.

Der Name konnte ergänzt werden durch die Angabe eines Herkunftsorts, eines Bei- oder Familiennamens, in einigen Gemeinden auch des -> Hauszeichens.

Die Namen wurden meist eingeleitet durch die Angabe des Status' des oder der Verstorbenen, z.B.: das Kind, der Knabe, das Mädchen, der Junggeselle/junge Mann, die Jungfrau/junge Frau, der Bräutigam, die Braut, der Mann, die Frau, die Wöchnerin, die Witwe, der Greis, die Greisin. Diese Begriffe geben einen Anhaltspunkt für den Lebensabschnitt, in dem sich der oder die Verstorbene befand, aber nur einen ungefähren Hinweis auf das Alter. So könnte ein Junggeselle oder eine Jungfrau ebenso gut 18 wie 80 Jahre alt geworden sein.

Vor den Namen (meist nur den Namen von Männern) folgte oft auch ein Titel, der Auskunft über den gesellschaftlichen Status und innergemeindliche Funktionen geben kann, wie der geehrte Herr, der Toragelehrte, unser Lehrer und Meister (= RabbinerRichter, Lehrer, Prediger und Seelsorger einer Gemeinde), der Vorsteher und Leiter (= Gemeindevorsteher) etc. Diese Titel wurden meist abgekürzt.

Nach den Vaters- und Gattennamen folgt, wenn diese schon gestorben waren, der Segenswunsch

ז"ל
Sein Andenken zum Segen
bei besonders geehrten Personen auch


זצ"ל Das Andenken des Gerechten zum Segen. Seltener erscheinen hinter den Namen noch lebender Personen Segenswünsche wie נ"י Sein Licht leuchte oder שלי"ט Er lebe viele gute Tage.

DIE DATEN
Nach dem Namen ist das Sterbedatum das wichtigste Element einer hebräischen Grabinschrift.

Die Angabe des Geburtsdatums war dagegen nicht üblich.

Anstelle des Geburtsdatums gibt es jedoch oft genauere oder wenige genauere Hinweise auf das Alter eines Verstorbenen.

Die Daten in hebräischen Grabinschriften werden immer nach dem -> Jüdischen Kalender angegeben.

DIE EINLEITUNGSFORMEL
Der überwiegende Teil der Inschriften beginnt mit der meist abgekürzten Einleitungsformel

Hier ist begraben פ"נ

etwas seltener auch mit
Hier ist geborgen פ"ט

Während es im Mittelalter eine Vielzahl von Einleitungsformeln gab, haben sich diese Abkürzungen mit Beginn der Neuzeit in Deutschland als fast alleinige Überschreibungen hebräischer Grabinschriften durchgesetzt.

DER SCHLUSSSEGEN
Meist schließt eine hebräische Grabinschrift mit einem Schlusssegen. Schon in der Antike findet sich der nach 2 Samuel 25,29 abgewandelte Segen

תנצב"ה Seine/ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.



DIE EULOGIE
Die bisher vorgestellten Grundelemente der hebräischen Grabinschrift können auf vielfältige Weise erweitert und variiert werden. Viele Inschriften enthalten vor oder nach dem Namen eine Eulogie auf den Verstorbenen.
Diese kann sich auf einige wenige Attribute beschränken.

Oft jedoch war sie kunstvoll komponiert und zusammengesetzt aus Schriftzitaten, die sowohl wörtlich übernommen als auch personen- und situationsgerecht abgewandelt sein können. Besonders beliebt waren Zitate aus den Psalmen und den Sprüchen. Im Mittelpunkt dieser Eulogien steht der Wandel des Menschen nach Gottes Weisung: seine Ehrfurcht vor dem Allerhöchsten, seine Wohltätigkeit gegenüber Armen und Bedürftigen, seine Fürsorge für Lebende und Tote, sein Eintreten für das Wohl der Gemeinschaft.
Bei Männern wird darüber hinaus die Gelehrsamkeit ebenso hervorgehoben wie der regelmäßige Besuch der Synagoge.

Besonders hervorgehoben werden in den Inschriften auch die Funktionen und Ehrenämter, die insbesondere Männer innerhalb der Gemeinde bekleideten.

Das Lob auf die (verheiratete) Frau ist mit Vorliebe aus dem "Lob auf die tüchtige Gattin" nach Sprüche 31,10-31 zusammengesetzt.

Bei jung Verstorbenen wird oft die enttäuschte Hoffnung der Eltern ebenso hervorgehoben wie der plötzliche Tod. Junge Männer werden für ihre Gelehrsamkeit gelobt, bei jungen Mädchen werden besonders Tugenden wie Demut und Bescheidenheit, aber auch Schönheit betont. Besonders hervorgehoben wird der Tod junger Menschen, die kurz vor ihrer Vermählung standen.

Die hebräischen Eulogie Das aus dem Griechischen stammende Wort bedeutet "Lob", "Lobrede".n konnten durch verschiedene Stilmittel ausgeschmückt werden.

Die hebräischen Inschriften weisen oft eine klare optische Gliederung auf, insbesondere auf Grabsteinen, die auf Ornamentik verzichten und die Kalligrafie wörtl. "die Kunst des Schönschreibens". Bei der Gestaltung jüdischer Grabsteine steht über Jahrhunderte die hebräische Schrift, die Gestaltung der einzelnen Buchstaben und ihre Gesamtwirkung, im Mittelpunkt. als vorherrschendes Gestaltungsmerkmal verstehen.

OPTISCHE GLIEDERUNG HEBRÄISCHER INSCHRIFTEN

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird der deutschen Inschrift vielerorts ein immer höherer Stellenwert eingeräumt, die hebräischen Inschriften werden oft kürzer, formelhafter, oft auf die Angabe von Namen und Daten beschränkt, bis sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Einleitungs- und Schlussformel reduziert werden oder ganz verschwinden.

Gleichzeitig lassen die Hebräisch-Kenntnisse der jüdischen Bevölkerung nach, so dass immer häufiger Grabinschriften nach Musterinschriften verfasst werden, wie sie in den Zusammenstellungen jüdischer Totenliturgie und Trauergebräuchen beigegeben waren, die sich seit Anfang des 18. Jahrhunderts wachsender Beliebtheit erfreuten und weite Verbreitung fanden.

Manchmal tritt anstelle einer vollständigen hebräischen Inschrift auch nur noch ein Bibelzitat auf Hebräisch, meist mit deutscher Übersetzung.

Manchmal erscheint auch nur noch der jüdische Name oder das Sterbedatum in Hebräisch.

Erst mit Beginn der NS-Zeit wird vielerorts den hebräischen Inschriften wieder ein größerer Stellenwert eingeräumt.