Beispiele für die Verwendung jüdischer Grabsteine als Spolien:
Mittelalterliche Grabsteine wurden in viele Bauwerke verbaut, und noch heute wird hin und wieder bei
Bauarbeiten und Restaurierungen ein bisher unbekannter Grabstein entdeckt. Grabsteine wurden in
Privathäuser eingemauert, aber ebenso in Burgen, Klöstern und repräsentativen Bauwerken.
Grabsteine des mittelalterlichen jüdischen Friedhofs von Köln wurden zum Beispiel in
den Burgen Lechenich und Hülchrath eingebaut, wo sie heute noch zu sehen sind.
Mittelalterliche Grabsteine aus Köln, verbaut in den Turmhelm der Burg Hülchrath
Grabsteine der mittelalterlichen Spandauer Gemeinde fanden sich in den Fundamenten der Spandauer Zitadelle.
Sie sind heute in den Kasematten der Zitadelle ausgestellt.
Mittelalterlicher Grabstein aus Spandau
Beispiele für die Verwendung jüdischer Grabsteine als Trophäen:
Die jüdischen Grabsteine des mittelalterlichen Friedhofs von Regensburg wurden gut sichtbar in
Gebäuden in der ganzen größeren Umgebung von Regensburg eingemauert und teilweise sogar mit
deutschen Inschriften versehen, die von der Vertreibung der Juden berichten.
Mittelalterlicher Grabstein aus Regensburg, Gnenle bat Jekuthiel, gest. 1517. Dieser Grabstein wurde als Trophäe gut sichtbar
in ein Haus eingebaut und mit einer zusätzlichen deutschen Inschrift versehen:
"Anno Domini 1519 am Montag am Abend nach Petri Stuhlfeier sind die Juden aus der Stadt geschafft und am anderen Tag darnach
keiner mehr gesehen worden. Lob sei Gott".
Unter der hebräischen Inschrift wurde der Name "Caspar Amann" eingraviert, der zur Zeit der Vertreibung der Juden
Bürgermeister in Regensburg war.
Als symbolisches Zeichen für den Sieg der Kirche über die Synagoge wurden jüdische Grabsteine oft auch in Kirchen verbaut.
So ist zum Beispiel der Stiftungsstein des Ulmer Münsters ein jüdischer Grabstein.
Jüdischer Grabstein im Ulmer Münster
In die St. Marienkirche in Parchim sind mittelalterliche jüdische Grabsteine verbaut, einer dient als Schwellenstein
am Eingang der Kirche, auf ihn tritt man, wenn man die Kirche betritt. Auch im Frankfurter Dom waren mittelalterliche Grabsteine
aus Frankfurt verbaut.
Nach der Vertreibung der Juden aus den mittelalterlichen Städten gab es kaum noch größere Gemeinden. Die meisten Juden, die
die Vertreibungen überlebt hatten und im Land geblieben waren, lebten nun in kleinen Dörfern, weit über das ganze Land zerstreut.
Es dauerte viele Jahrzehnte, teils sogar Jahrhunderte, bis wieder größere Gemeinden entstanden.
In dieser Zeit gab man den Juden für ihre Friedhof oft nur landwirtschaftlich nicht nutzbares, oft weit abgelegenes Gelände,
mitten im Wald gelegene Steilhänge und Nordhänge, oder sumpfiges und an Flussufern gelegenes Überschwemmungsgebiet.
Jüdische Abteilungen auf kommunalen Friedhöfen waren aber oft umstritten, weil in diesen Fällen das
Gelände meist nicht im Besitz der jeweiligen Gemeinde war und man damit den städtischen Friedhofsgesetzen
unterworfen war, was eine dauerhafte Sicherung der Totenruhe nicht gewährleistete.
Zur Geschichte des Friedhofs:
Erkundigt euch im Stadtarchiv, ob es noch Unterlagen zum jüdischen Friedhof gibt, wie zum Beispiel Akten über die Anlage oder
Erweiterung des Friedhofs, Korrespondenz zwischen Gemeinde und Stadt, den Friedhof betreffend, alte Karten und Katasterpläne,
auf denen der Friedhof eingezeichnet ist, vielleicht sogar alte Fotos vom Friedhof …
Zur Lage des Friedhofs:
Sucht den Friedhof auf dem Stadtplan/einer Landkarte/bei Google Earth.
Wo liegt der jüdische Friedhof in eurer Gemeinde? Liegt er nahe am Ort oder weit außerhalb? Und wo lag er, als er angelegt wurde?
Wie sehr hat sich die Landschaft/die Stadt um ihn herum seitdem verändert?
Kann man aufgrund der Lage des Friedhofs Rückschlüsse auf die Stellung der Gemeinde zur Zeit der Anlage des Friedhofs ziehen?
Wenn es zwei oder mehrere jüdische Friedhöfe aus verschiedenen Zeiten gibt: Unterscheidet sich die Lage des älteren Friedhofs von der des
jüngeren? Wenn ja, zeigt dies einen Wandel für die Stellung der jüdischen Gemeinde am Ort?