- Einführung
- Tod u. Bestattung im Judentum
- Der Friedhof
- Die Grabsteine
- Die Inschriften
- Der jüdische Kalender
- Aufgaben und Fragestellungen
- Literatur und Links
- Projekte
- Schriftquellen
Auf vielen jüdischen Friedhöfen kann man noch heute Spuren der NS-Zeit entdecken.
SCHÄNDUNGEN, ZERSTÖRUNGEN
Viele Friedhöfe wurden während der NS-Zeit systematisch zerstört.
Andere Friedhöfe, die meist vorher von den jeweiligen Gemeinden zwangsverkauft werden mussten oder enteignet wurden,
wurden abgeräumt, die Grabsteine an Steinmetze verkauft. Nach dem Krieg stellte man mancherorts die noch vorhandenen
Grabsteine wieder auf. Dabei kamen die Grabsteine nicht unbedingt auf ihrem ursprünglichen Grab zu stehen.
Andere Friedhöfe wurden in unterschiedlichem Ausmaß geschändet, beschädigt, verwüstet.
Solche Schändungen gab es auch schon vor der NS-Zeit, und sie kommen leider bis heute immer wieder vor.
Monika Schmidt hat im Rahmen eines Projektes des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin
kürzlich eine neue Studie zum Umgang mit jüdischen Friedhöfen in der DDR vorgelegt: "Schändungen
jüdischer Friedhöfe in der DDR", Metropol-Verlag Berlin, 2007
So wurden zum Beispiel im Jahr 2007 30 jüdische Friedhöfe in Deutschland geschändet, 10 Tatverdächtige konnten
ermittelt werden.
Jüdischer Friedhof Freudental, Aufnahmen nach der Schändung 2007
Quelle: www.alemania-judaica.de
Manche Friedhöfe, insbesondere in den Großstädten, wurden während des Krieges von Bomben getroffen und stark
beschädigt, häufig sieht man auch Grabsteine mit Spuren von Geschosseinschlägen.
Jüdischer Friedhof Breslau, Lohestraße, von Geschosseinschlägen beschädigter Grabstein von Siegfried Hamburger, gest. 1917
Hinzu kommt der "Zahn der Zeit", der an den Grabsteinen nagt: Locker gewordene Grabsteine stürzen um
oder werden bei einem Sturm von fallenden Ästen und Bäumen umgerissen. Der als Bepflanzung auf
Friedhöfen so beliebte Efeu bohrt seine Wurzeln in die oft weichen Steine und zerstört sie langsam,
manche Grabfelder sind völlig von Efeu zugewachsen. Hinzu kommt die Verwitterung der oft weichen Sandsteine,
die durch den sauren Regen deutlich beschleunigt wurde.
Umgestürzte Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof Berlin, Schönhauser Allee
Überwachsene Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof Berlin, Schönhauser Allee
Jüdischer Friedhof Grevenbroich, stark verwitterter Grabstein der Sibilla Goldstein, gest. 1827
Jüdischer Friedhof Grevenbroich, stark verwitterter Grabstein des Mosche ben Baruch
METALLSAMMLUNGEN
So gut wie alle jüdischen Friedhöfe in Deutschland wurden während der so genannten Altmetallsammlungen
während des Zweiten Weltkrieges sämtlicher metallener Elemente beraubt.
DIE ZWANGSNAMEN "SARA" UND "ISRAEL"
Seit dem 1. Januar 1939 mussten die Juden die
Zwangsnamen "Sara" und "Israel" annehmen. An einigen Orten war vorgeschrieben, diese Zwangsnamen auch auf die Grabsteine zu schreiben.
Grabstein des Chaskiel Gutman, gest. 1940, Waldfriedhof Duisburg
Grabstein des Schulim Rechtschaffen, gest. 1940, Waldfriedhof Duisburg
Grabstein der Ruth Steinweg, gest. 1940, Waldfriedhof Duisburg
NUR TEILWEISE BESCHRIFTETE DOPPELSTEINE
Auf Friedhöfen, auf denen es üblich gewesen war, Grabstellen für Ehepartner zu reservieren,
trifft man häufig auf Doppelgrabsteine, die nur auf einer Seite beschriftet wurden - der überlebende Ehepartner musste
auswandern oder wurde deportiert und konnte seine letzte Ruhestätte nicht mehr neben seinem Ehepartner finden.
Wilhelmine Lambertz' Schwester, die neben ihr begraben werden sollte, war vermutlich Eva Lambertz,
die 1866 in St. Hubert geboren wurde, in Kempen lebte und im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde.
Sie wurde am 21. September 1942 in Treblinka ermordet.
Neuer Jüdischer Friedhof Krefeld, Grabstein der Familie Josef Frank
Jüdischer Friedhof Viersen-Dülken, Grabstein von Hirsch Bruch
Jüdischer Friedhof Mönchengladnach-Odenkirchen,
Grabstein von David Salmon, gest. 1926
David Salmons Gattin Mathilde Salmon geb. Heimann wurde 1941 von Berlin nach Litzmannstadt deportiert und ermordet.
Siehe ihren Eintrag im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus.
GRABSTEINE FÜR NS-OPFER
Manchmal finden sich (meist erst nach dem Krieg gesetzte) Grabsteine für Opfer der Schoah.
Als Beispiel seien hier einige Grabsteine vom jüdischen Friedhof Laupheim angeführt.
Jüdischer Friedhof Laupheim,
Grabstein der Schwestern Sally, Jette und Therese Kirschbaum, gest. 1941
Die drei betagten Schwestern, Betreiberinnen einer kleinen Gemischtwarenhandlung in Laupheim, wählten an
drei aufeinanderfolgenden Tagen den Freitod, nachdem sie ihres Heimes verwiesen und in Baracken zwangsumgesiedelt wurden.
Jüdischer Friedhof Laupheim, Grabstein von Arthur
Nathan, gest. 1944
Der 1891 in Triest geborene Arthur Nathan war offensichtlich Angehöriger der Britischen Armee und starb als
Kriegsgefangener im Internierungslager in Biberach.
Jüdischer Friedhof Laupheim,
Grabstein von Lazar Schonberg, gest. 1945
Lazar Schonberg, der 1885 in Auschwitz geboren wurde, hatte offensichtlich versucht, sich in die Niederlande zu retten.
Von dort wurde er ins KZ Bergen-Belsen deportiert. Er starb kurz vor der Befreiung im "Lager Lindele" in Biberach.
Die Übersetzung seiner hebräischen Grabinschrift lautet:
Hier ist begraben ein redlicher und geehrter Mann, Herr Elasar Schönberg aus Oswiecim, Galizien, welcher wandelte
in Untadeligkeit, all seine Tage fürchtete er Gott, der Unglückliche, (er starb) unter schlimmen Leiden durch das
Reich des Bösen, Deutschland, mögen ihre Namen ausgelöscht werden, am 11. Adar 704. Sei seine Seele eingebunden
in das Bündel des Lebens
Jüdischer Friedhof Laupheim,
Grabstein von John Hasenberg, gest. 1945
John Hasenberg stammte aus Neumünster und lebte als Bankier in Hamburg. 1937 flüchtete er mit seiner Familie
nach Amsterdam. Am 20. Juni 1943 wurde die Familie bei einer Massen-Razzia deportiert, zunächst ins Lager
Westerbork in den Niederlanden, am 16. Februar ins Konzentrationslager Bergen-Belsen. Als die Schweiz im
Januar 1945 von den Nationalsozialisten 350 Häftlinge "freikaufte", war auch die Familie Hasenberg dabei.
Diese erreichte am 25. Januar die Schweiz und wanderte ein Jahr später nach Amerika aus. Doch John
Hasenberg erlebte die Freiheit nicht mehr. Völlig entkräftet starb er am 23. Januar auf der Zugfahrt
in die Schweiz, wurde am Bahnhof Biberach ausgeladen und in Laupheim beigesetzt. Die Übersetzung seiner
hebräischen Grabinschrift lautet:
Hier ist begraben Jehuda, Sohn des Jona Hakohen, ein redlicher und geehrter Mann, er war leiderfahren und
litt Qualen und starb unter Qualen auf dem Weg zur Heiligung des (göttlichen) Namens durch das Reich des
Bösen, Deutschland, mögen ihre Namen ausgelöscht werden. Sei seine Seele eingebunden in das Bündel des Lebens
Immer wieder wurden auch (nichtjüdische) Zwangsarbeiter auf unbelegten Flächen jüdischer Friedhöfe beigesetzt.
So wurde zum Beispiel die Hälfte des jüdischen Feldes auf dem Duisburger Waldfriedhof in einen Begräbnisplatz
für russische Zwangsarbeiter umgewandelt.
Das jüdische Feld auf dem Duisburger Waldfriedhof,
im Hintergund die Gräber der Zwangsarbeiter
GRABSTEINE MIT GEDENKINSCHRIFTEN
Manchmal wurden die Inschriften einzelner Grabsteine nach dem Krieg durch Gedenkinschriften für Angehörige ergänzt, die während der Schoah ermordet wurden.
Hier einige Beispiele vom neuen jüdischen Friedhof in Krefeld:
Neuer Jüdischer Friedhof Krefeld, Grabstein von Hermann Daniels, gest. 1932, mit nach dem Krieg ergänzten Inschriften
für seine Frau Martha und seinen Sohn Kurt.
Die in Krefeld geborene Martha Daniels lebte mit ihrem Mann in Uerdingen. Im Dezember 1941 wurde sie in das Rigaer
Ghetto deportiert und ermordet. Ihr am 14. März 1913 in Krefeld geborener Sohn Kurt hatte sich offensichtlich
vergeblich nach Frankreich geflüchtet, 1942 wurde er von Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Neuer Jüdischer Friedhof Krefeld, Grabstein von Julius Markus, gest. 1934, mit nach dem Krieg ergänzter Inschrift
für seine Frau Sophie.
Sophie Markus wurde im Juli 1942 von Aachen über Düsseldorf nach Theresienstadt deportiert, wo sie einen Monat später starb.
Neuer Jüdischer Friedhof Krefeld, Grabstein von Paul Heymann, gest. 1937, mit nach dem Krieg ergänzter
Inschrift für seine Frau Claire.
Im Juni 1943 wurde die Witwe Claire Heymann von Düsseldorf nach Theresienstadt und im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Gedenksteine aus der Nachkriegszeit auf der Seite -> Grabsteingestaltung
Findest Du auf dem Friedhof, den Du besuchst, Spuren der NS-Zeit? Dokumentiere sie!
Wurde der Friedhof nach 1945 geschändet? Wenn ja, sieht man davon noch Spuren? Erkundige Dich bei der Stadt,
der zuständigen jüdischen Gemeinde/dem Landesverband der jüdischen Gemeinden, dem Pressearchiv der Lokalzeitung,
ob es Schändungen nach 1945 gegeben hat.
Wenn ja, weiß man, wer die Täter waren und was ihr Motiv war? Was ist danach passiert?