EINE EINFÜHRUNG FÜR LEHRER UND SCHÜLER    

DIE DEUTSCHE INSCHRIFT

Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzen sich nach und nach auch deutschsprachige Inschriften durch.

POSITION
Zunächst erschienen die deutschen Inschriften meist auf den Rückseiten der Grabsteine und gaben nur den (bürgerlichen) Namen und das Sterbedatum an - entsprechend der wichtigsten Elemente der hebräischen Grabinschrift.

Nach und nach wurden die deutschen Inschriften dann länger und wanderten auf die Vorderseiten unter die hebräischen Inschriften, dann darüber und schließlich verdrängten sie oft die hebräischen Inschriften vollständig.

Manchmal wurden die deutschen Inschriften noch gerahmt von den hebräischen, wie üblich abgekürzten Einleitungs- und Schlussformeln.


Die ersten deutschen Inschriften sind aus der Großstadt Berlin belegt: Dort erscheinen um das Jahr 1800 die ersten deutschen Inschriften - zunächst noch in hebräischen Buchstaben.

AUFBAU
Wie die hebräischen Inschriften, so setzen sich auch die deutschen Inschriften aus bestimmten, immer wiederkehrenden Elementen zusammen: dem Namen und den Daten, gerahmt von einer Einleitungsformel und einem Schlusssegen. Diese Elemente können durch weitere Formeln und Angaben ergänzt werden.

NAMEN
In den deutschen Inschriften werden in der Regel die bürgerlichen Namen angegeben, mit den Familiennamen, die mit den Gesetzen zur Annahme fester Familiennamen zu Beginn des 19. Jahrhunderts als erbliche Familiennamen angenommen bzw. festgelegt wurden.

Die Angabe der Namen kann ergänzt bzw. erweitert werden durch einen Titel bzw. die Angabe des Personenstandes, wie "Herr", "Frau", "Fräulein", "Witwe" etc.

DATEN
Die Daten wurden in der Regel nach dem bürgerlichen Kalender angegeben. Bei den älteren deutschen Inschriften wurde oft - entsprechend der hebräischen Inschrift - nur das Sterbedatum genannt, manchmal sogar nur das Sterbejahr. Diese Angabe konnte erweitert werden durch die Angabe des Alters. Aber schnell ging man dazu über, Geburts- und Sterbedaten nach dem bürgerlichen Kalender anzugeben. Diese Daten wurden oft auch durch die Angabe von Geburts- und Sterbeort ergänzt.

In einigen Gemeinden jedoch wurden die Daten ganz oder teilweise nach dem jüdischen Kalender angegeben, manchmal zusätzlich zum bürgerlichen Datum.

Das Sterbetag und -monat nach dem jüdischen Kalender waren wichtig für die Jahrzeit das rituelle Begängnis des Todestages. Zur Feier der Jahrzeit gehört das Sprechen des -> Kaddisch, der Besuch des Grabes (wenn möglich) sowie das Anzünden einer Kerze, die für 24 Stunden brennt (Jahrzeit-Licht), das jährliche Gedenken an den Toten, das sich nach dem -> jüdischen Kalender richtete.

Bei der Angabe der Daten gibt es verschiedene Variations- bzw. Kombinationsmöglichkeiten.
Hier ein Beispiel: Seligmann Cahn in Siegburg starb am 30. September 1903, das war der 9. Tischri des Jahres 5664. Das Datum kann folgendermaßen angegeben sein:
30. September 1903
30. September 5664
9. Tischri 1903
9. Tischri 5664

Hier ein Beispiel:
Seligmann Cahn  in Siegburg

EINLEITUNGSFORMELN UND SCHLUSSSEGEN
Wie die hebräischen, so waren auch die deutschen Inschriften oft gerahmt von Einleitungsformeln und Schlusssegen. Diese unterschieden sich meist nicht von Formeln, die auch von nichtjüdischen Friedhöfen bekannt sind.

WEITERES
Diese Grundelemente einer deutschen Inschrift konnten beliebig erweitert werden.

In der Phase des Übergangs von hebräischen zu deutschen Inschriften gab es eine kurze, aber spannende Zeit, in der man versuchte, die Inhalte der hebräischen Inschriften auch in den deutschen Inschriften wiederzugeben. So entstanden eigenständige deutsche Inschriften, die eng an die hebräischen Vorlagen angelehnt waren. Manchmal findet man auch hebräische und deutsche Inschriften, die parallel verfasst wurden.

Vielerorts wurde es üblich, kurze deutsche Inschriften durch persönliche Wendungen der Hinterbliebenen zu ergänzen, wie sie auch auf nichtjüdischen Friedhöfen verbreitet waren und sind.

Bei Funktionsträgern der jüdischen Gemeinde, Rabbinern, Vorstehern, Vorbetern und Lehrern, konnte ihr Amt auch in der deutschen Inschrift hervorgehoben werden.

Häufiger wird in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aber die Nennung des bürgerlichen Berufes, insbesondere wenn der Verstorbene einen jener Berufe aus Justiz, Medizin und Politik inne gehabt hatte, die den Juden noch Anfang des 19. Jahrhunderts verwehrt gewesen waren.

Später traten neben oder anstelle einer hebräischen Inschrift auf Deutsch wiedergegebene Bibelzitate.


Häufig wählte man dabei Zitate, die nicht unbedingt zu den Zitaten zählten, die in den hebräischen Grabinschriften beliebt und verbreitet gewesen waren.


Oft werden nun auch Zitatstellen angegeben - konnte man doch in der zweiten Hälfte des 19. und im 20. Jahrhundert nicht mehr voraussetzen, dass ein Bibelzitat sofort von jedem als solches erkannt und verstanden werden würde. Und manchmal wird sogar nur noch die Zitatstelle angegeben.

Anstelle oder neben solche Bibelzitate traten gern auch (nichtjüdische) Sinnsprüche, wie sie auch auf nichtjüdischen Friedhöfen verbreitet waren (und bis heute sind).

Manchmal findet man auch kürzere und längere gereimte Gedichte, die die Tugenden und Vorzüge eines oder einer Verstorbenen hervorheben, sein bzw. ihr Wirken in Familie und Gesellschaft thematisieren und die Werte und Ideale ihrer Zeit spiegeln.